„Gütlesbesitzer“ und naturschutzorientierte Grünlandnutzung
Die Pflege der oft steilen Streuobstwiesen ist zeitaufwändig und körperlich anstrengend. Meist besitzen die Bewirtschafter der kleinparzellierten Streuobstwiesen keine entsprechenden Geräte zur Grünlandpflege. In der Folge werden die Flächen entweder nur gemäht und das Mähgut verbleibt auf der Fläche, oder eine Mahd findet überhaupt nicht mehr statt. Beides führt dazu, dass der Artenreichtum des Grünlandes zurückgeht. Daher wurden im Rahmen des LIFE+-Projektes auf Modellflächen im Mittleren Remstal Möglichkeiten zur Vereinfachung und Verbesserung der Bewirtschaftung dieser kleinstparzellierten Streuobstflächen erprobt. Die weitere Betreuung dieser Modellflächen hat der Landschaftserhaltungsverband des Rems-Murr-Kreises übernommen.
Beweidung von Flächen in Plüderhausen
Auf den kleinparzellierten, steilen Flächen wurde nach Zustimmung der Grundstückseigentümer eine Beweidung organisiert. Dafür wurden mehrere Flurstücke zu Bewirtschaftungseinheiten zusammengefasst. Den Tierhaltern wurden mobile Weidezaunsysteme zur Verfügung gestellt und der fachgerechte Umgang damit vor Ort erläutert. Stark verbuschte Bereiche innerhalb der Bewirtschaftungseinheiten werden zunächst mit Ziegen beweidet, um die Gehölze zurückzudrängen. Später sollen auch diese Flächen von Schafen beweidet werden. Zum Schutz vor Verbissschäden wurden die jungen Streuobstbäume mit einem Baumschutz versehen. Schon im ersten Jahr der Beweidung konnten weitere benachbarte Parzellen in die Beweidung aufgenommen werden. Um im Interesse der Bewirtschafter die Streuobstgrundstücke besser zugänglich zu machen, wurde die Befahrbarkeit eines Zufahrtsweges verbessert.
Erstpflege und Mahd in Schorndorf-Schornbach Im Gegensatz zu den Flächen in Plüderhausen wurde hier nach Zustimmung der Grundstückseigentümer eine Mahd der Grundstücke organisiert. Je nach Pflegezustand der Grundstücke wurden in einer Erstpflege zunächst Gehölze und nieder hängende Äste entfernt, um die Mahd der Flächen wieder zu ermöglichen. Die Durchführung dieser Mahd wurde durch das LIFE+-Projekt organisatorisch unterstützt.
Bau des Landschaftspflegestalls in Weilheim a.d. Teck
Die extensive Weidenutzung ist eine der besten Nutzungsoptionen für Streuobstflächen, da die Bäume die Tiere bei der Weide nicht stören und so die Mehrkosten, die aus dem Maschi-neneinsatz resultieren, hier weniger stark zu Buche schlagen. Leider ist es so, dass extensiv wirtschaftende Weidebetriebe aufgrund der ökonomischen Rahmenbedingungen derzeit nur eingeschränkt wirtschaftlich erfolgreich arbeiten können. Das hat einen plausiblen Grund: Die Weideflächen sind auf der einen Seite zwar naturschutzfachlich wertvoll, auf der anderen Seite aber meist auch ertragsschwach. Bei den Untersuchungen im Rahmen des LIFE+-Projektes zeigte sich in Weilheim an der Teck eine besonders typische Situation für den Albtrauf, an der grundlegende Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt werden können. Die Stadt Weilheim an der Teck besitzt umfangreiche Grünlandflächen innerhalb von Vogelschutzgebieten. Zum überwiegenden Teil werden diese als Streuobstwiesen genutzt, und viele davon sind zusätzlich als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Rund 114 Hektar dieser Grünlandflächen sind an eine Schäferei zur Pflege verpachtet. Aufgrund des Baumbestands und der Steilheit des Geländes gibt es keine praktikablen Alternativen zu dieser Nutzungsform. Eine mechanische Pflege der Flächen ist langfristig für die Stadt nicht finanzierbar. Hinzu kommt, dass die hohe naturschutzfachliche Wertigkeit dieser Flächen nur mit Weidetieren erhalten werden können. Um die Beweidung der Flächen mit Schafen langfristig zu sichern, hat die Stadt Weilheim an der Teck im Jahr 2014 mit Unterstützung durch das LIFE+-Projekt einen Landschaftspflegestall erstellt. Durch den Bau eines Schafstalls konnte eine langfristige Perspektive für die Schafhaltung in Weilheim sichergestellt werden. Weiter Informationen zum Landschaftspflegestall in Weilheim a.d. Teck finden Sie hier.
Schnittgutentsorgung
Die Herausforderung: Wohin mit dem Obstbaumschnittgut? Der Schnitt der Bäume löst das Pflegeproblem, schafft aber unter Umständen ein neues: Wohin mit dem Schnittgut, das bei lange nicht gepflegten Bäumen in großen Mengen anfällt? Verbleibt es in der Fläche, stellt es eine Behinderung bei der Grünlandbewirtschaftung dar und ist Ausgangspunkt für Verbuschungen. Wenn aufgrund des Problems die Bäume nicht geschnitten werden, ist dies aber aus ökologischen Gründen sehr nachteilig, da ungepflegte Bäume eine kürzere Lebensdauer haben. Insbesondere große und alte Bäume sind aber aus naturschutzfachlicher Sicht wichtige Bestandteile des Lebensraumes Streuobstwiese. Eine nachhaltige Nutzung kann also nur entstehen, wenn beide Probleme gelöst werden, besser noch: wenn sie vom Problem zur Chance werden. Weiter Informationen zur Schnittgutentsorgung finden Sie hier.
Fazit: Unter rein ökonomischer Betrachtung lassen sich Streuobstflächen heute meist nicht mehr rentabel bewirtschaften. Sofern durch die Bewirtschaftung der Streuobstwiesen auch Naturschutzziele erreicht werden, lassen sich Hilfen für die Bewirtschafter grundsätzlich rechtfertigen. Mögliche Ansatzpunkte können sein:
- Unterstützung von extensiv und naturschutzorientiert arbeitenden Betrieben durch geeignete infrastrukturelle Hilfen. Dies kann beispielsweise in Form von Fest- oder Mobilzaunsystemen sowie Landschaftspflegeställen erfolgen.
- Aufgrund der kleinparzellierten Struktur der Streuobstlandschaft ist in vielen Fällen das Zusammenbringen von Flächen und Grünlandbewirtschaftern eine wichtige Voraussetzung für die Etablierung einer nachhaltigen Grünlandnutzung. Dieser zeitaufwändige Prozess kann von landwirtschaftlichen Betrieben nur selten allein gestemmt werden.
- Um eine möglichst artenreiche Grünlandvegetation in Streuobstwiesen zu entwickeln und zu erhalten, kann die vergleichsweise hohe Arbeitsbelastung bei gemähten Streuobstbeständen durch eine Neuausrichtung der Pflanzraster vermindert werden.
- Alle durchgeführten Maßnahmen bedürfen einer fundierten naturschutzfachlichen Vorbereitung.
Bei der Umsetzung der LIFE+-Maßnahmen hat sich gezeigt, dass die Etablierung einer naturschutzorientierte Grünlandnutzung sehr spezifisch an die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten angepasst werden muss. Die aufgezeigten Umsetzungsbeispiele sind grundsätzlich auf andere Flächen mit vergleichbaren Problemen übertragbar.
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